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5 Traditionen beim Richtfest, die Sie kennen sollten

5 Traditionen beim Richtfest, die Sie kennen sollten

Lesezeit: 9 Minuten

Wenn der Rohbau eines Hauses errichtet und auch das Dach des Gebäudes fertiggestellt wurde, dann wird traditionell das Richtfest gefeiert. Dieser Brauch geht zurück bis in das 14. Jahrhundert. Auch heute noch wird vielerorts Wert auf ein traditionelles Richtfest gelegt, wobei der genaue Ablauf sich regional unterscheiden kann. Zudem gesellten sich im Laufe der Zeit auch einige moderner ausgelegte Varianten bestimmter Rituale des Richtfestes hinzu. Dennoch sind alle üblichen Richtfeste im Grundgedanken gleich.
Insgesamt gibt es fünf besondere Rituale, die den Ablauf eines Richtfestes bestimmen und der traditionellen Feier einen Rahmen geben.
Mit diesen fünf Punkten und ein wenig Kreativität können Sie als Privatbauherr und Bauherrin Ihr eigenes Richtfest als großartiges Event gestalten, an welchem alle Beteiligten ihre Freude haben.

Regional unterschiedliche Bezeichnungen des Richtfestes

Das Richtfest ist auch unter den Bezeichnungen Weihefest, Bauheben, Hebfeier oder Aufschlagfest bekannt. In Österreich wird die Tradition Dachgleiche, in der Schweiz Aufrichte genannt.
Weist ein Gebäude keinen Dachstuhl auf, wird von dem Deckenfest anstatt dem Richtfest gesprochen. Gemein haben alle verschiedenen Bezeichnungen und Abwandlungen jedoch, dass sie stets nach Fertigstellung des Rohbaus und außerdem immer auf der jeweiligen Baustelle zur Arbeitszeit der Bauleute gefeiert werden. Somit wird sichergestellt, dass nahezu alle am Bau des Hauses Beteiligten auch an den Feierlichkeiten teilnehmen können. Einzelne Beteiligte mit Absicht vom Richtfest auszuschließen, gilt als Fauxpas.

Canva - The new President delivering his inaugural address [March 4, 1897], Prints & Photographs Division, Library of Congress, LC-USZ62-237.

Geschichtliches über das Richtfest und seine Bedeutung

Das Brauchtum des Richtfestes aus dem 14. Jahrhundert beruht auf bestimmten rituellen Formen der Abgeltung von geleisteter Arbeit und der Zinszahlung, wie sie im Mittelalter üblich waren.
Diese Bräuche mit starkem symbolischem Charakter wurden als rechtsverbindliche Handlungen angesehen und charakterisierten den Kontakt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Außerdem besitzt das Richtfest auch einen starken abergläubischen, vor allem aber gesellschaftlichen Charakter. In der heutigen Zeit liegt der Fokus weniger auf dem Aberglauben und auch nicht auf Rechtsverbindlichkeit, was Verträge angeht. Der gesellschaftliche Charakter hingegen besitzt gegenwärtig einen großen Stellenwert.

Zu früheren Zeiten bestand ein Haus vollständig aus Balkenwerk, welches von den Zimmermännern gerichtet wurde. Zudem war es in ländlicher Gegend üblich, dass Nachbarn und andere Dorfbewohner beim Bau eines neuen Hauses mithalfen. Zu den Aufgaben der Helfer zählten das Fällen von Bäumen und die grobe Zuschneidung des zu verarbeitenden Holzes. Die Zimmermänner schnitten dieses dann passend zu. Das Richtfest galt somit auch als eine Art Danksagung für alle Helfer, die am Bau eines Hauses beteiligt waren.

Weiterhin sollte mit den Feierlichkeiten und den Ritualen noch offene Rechnungen beglichen werden. Somit konnten die Bauherren unbelastet und frei in ihr neues Haus einziehen. Und weil im Mittelalter abergläubisches Denken allgegenwärtig war, sollte ein nach allen Regeln des Brauchtums abgehaltenes Richtfest das Haus vor Unheil schützen. Dazu zählten in erster Linie Naturgewalten wie Blitzschlag, Feuer oder Einsturz durch Sturm. Aber auch der sogenannte Haussegen und das Familienglück sollten mit dem rituellen Fest gewährleistet werden.

Fünf Rituale beim Richtfest, die auch heute noch zelebriert werden

Mit einigen wenigen regionalen Unterschieden gibt es insgesamt fünf Rituale beim Richtfest, die Sie kennen sollten.
Doch auch eine adäquate Vorbereitung ist hier wichtig.
Als Bauherr legen Sie traditionell den Termin für die Feierlichkeiten fest.
Das Fest muss während der regulären Arbeitszeit auf der Baustelle stattfinden. Bei gutem Wetter versammeln sich Gäste und Gastgeber vor dem Rohbau, bei schlechtem Wetter kann das Fest ins Innere verlegt werden. Findet das Richtfest im Rohbau statt, sollten vorher alle möglichen Gefahrenquellen abgesperrt und Fenster sowie Türen mit Plastikplanen verhängt werden, um Zugluft zu vermeiden.
Bei niedrigen Außentemperaturen kann auch ein Heizlüfter hilfreich sein.
Sobald ein Termin für die Feierlichkeiten feststeht, lädt der Bauherr seine Gäste ein. Zu diesen zählen alle Handwerker und Helfer, traditionell auch die, die erst zu einem späteren Zeitpunkt ihre Arbeit leisten. Bauleiter, Architekt, Notare und eventuelle Kreditgeber stehen ebenfalls auf der Gästeliste. Zu guter Letzt sind auch Familie, Freunde und Nachbarn herzlich willkommen.

Der Richtkranz

Einen Richtkranz, eine Richtkrone oder Richtbaum zu besorgen, gehört gegenwärtig zu den Pflichten des Bauherrn. Traditionell wurde ein Richtkranz zu früheren Zeiten von den Dorffrauen gebunden, heutzutage in der Regel käuflich erworben. Die Krone besteht aus einem Kranz mit vier Bügeln aus Draht oder Holz. Um die Konstruktion sind Stroh und Zweige von Tannen, Lebensbaum oder anderen Gewächsen gebunden. Verziert wird der Richtkranz zumeist mit bunten Bändern.
Er dient als Symbol des stolzen Bauherrn.
Befestigt wird das Arrangement zu Beginn des Richtfestes von den Zimmermännern auf dem Dachfirst.

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Der letzte Nagel

Traditionell ist es auch die Pflicht des Bauherren, den letzten Nagel ins Gebälk zu schlagen.
Wenn der Nagel krumm ins Holz geschlagen wird, können die Handwerker eine Extrarunde einfordern (Bier oder Schnaps). Früher galt dies als ein schlechtes Omen, gegenwärtig dient dies eher der Belustigung und Unterhaltung aller Gäste.

Der Richtspruch

Den Richtspruch trägt in der Regel ein Zimmermeister, manchmal aber auch ein Polier vor.
Dieses Gedicht enthält Danksagungen und Bitten an den Herrgott, das Haus vor Unglück zu bewahren, Danksagungen an den Architekten, Handwerker und Bauarbeiter sowie Glückwünsche und Danksagungen an den Bauherrn.
Der Redner erhält ein Glas Wein oder Schnaps, welches er am Ende des Richtspruchs vom Dach wirft. Zerspringt das Glas hierbei, sind Glück und Segen den Hauseigentümern treu. (Scherben bringen Glück). Bleibt das Glas jedoch heile, bedeutet dies eine Schmach für den Redner.
Während diese Tradition heute ebenfalls eher der Unterhaltung dient, galt so eine Schmach im Mittelalter als schlechtes Omen für den Bauherrn und seine Familie.

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Der Richtfestschmaus

Der Richtfestschmaus oder Hebeschmaus stellt die traditionelle Verkostung auf dem Richtfest dar. Regional gibt es Unterschiede, was die bevorzugten Speisen betrifft. Beliebt sind Mettbrötchen oder Gulasch. Extravagante Speisen und Haute Cuisine sind beim Richtfest eher unpassend.
Vielerorts hat sich das Grillen von Fleisch über offenem Feuer als adäquate Art der Verkostung durchgesetzt. Geeignete Getränke für den Hebeschmaus sind Bier und eine Auswahl an nicht alkoholischen Getränken.
Für den Richtfestschmaus sorgen ebenfalls Sie als Bauherr.
Er symbolisiert den Dank an die Handwerker und war zu früheren Zeiten Teil der Entlohnung.

Streiche und Bestrafungen

Während andere Rituale im Mittelalter nicht zuletzt aufgrund des weit verbreiteten Aberglaubens zwingend notwendig waren, stellten kleine Bestrafungen und Streiche, die dem Bauherrn gespielt wurden, doch eher eine Art Unterhaltungsprogramm für die Gäste dar. Eine Ausnahme bilden hier jedoch die Strafen für geizige Bauherren. Traditionell wurden an den Richtkranz Heringe gebunden, wenn der Bauherr den Richtfestschmaus eher dürftig ausrichtete.
Zudem wird heute noch in einigen Ortschaften der Sparren für den letzten Nagel versteckt gehalten. Der Bauherr muss dann mit den Handwerkern in Verhandlungen treten, welche Menge an Bier angemessen ist. Zur Unterhaltung aller Gäste kann der Bauherr auch von den Handwerkern auf dem Sparren um das Haus getragen werden, wobei er diesen an jeder Ecke einen Schnaps spendieren muss. Heutzutage weniger verbreitet ist das Schnüren. Hierbei nimmt der Zimmermann oder Maurer den Bauherrn, ein Familienmitglied des Bauherren oder auch einen Lieferanten mittels seiner Lotschnur oder Kelle „gefangen“ und verlangt Geld (kleine Münzbeträge) als Auslöse.

Regionale Varianten der Richtfest-Rituale und unpopuläre Traditionen

Regionale Unterschiede finden sich bezüglich des genauen zeitlichen Ablaufs eines Richtfestes.
In einigen Regionen musste der von den Dorfmaien gebundene Richtkranz mit einem Leiterwagen zum Bauplatz gezogen und anschließend umtanzt werden, bevor die Feierlichkeiten beginnen konnten. In anderen Regionen erfolgte das Richtkranzritual erst bei Dämmerung.
Vorgegeben war immer eine strenge Sitzordnung während des Richtfestschmauses, die heutzutage aber weniger Bedeutung hat.
Traditionell wurden Fleischgerichte serviert, begleitet von Bier oder Branntwein.
Vor dem 16. Jahrhundert waren unter den Richtfestgästen ausschließlich Leute zu finden, die auch tatsächlich am Bau des Hauses beteiligt waren. Gegenwärtig zählen auch Verwandte und Freunde zu den gern gesehenen Gästen. Ein fast vergessenes Ritual des Richtfestes ist das Eierprachteln. Hierbei machen sich zwei Frauen mit Weidenkörben auf den Weg und erbitten Speisen wie Eier, Butter und Brot bei den Nachbarn. Diese Tradition wird heutzutage nicht mehr praktiziert.

Ideen und Anregungen für Ihr Richtfest

Traditionell gehörte zum Richtfestschmaus auch ein anschließender Tanz mit fröhlicher Musik.
Dies ist für ein Richtfest nicht unbedingt nötig, kann aber durchaus die Stimmung auflockern, insbesondere dann, wenn auch Familie und Freunde zugegen sind.
Bei einer großen Anzahl an Gästen und eher schlechtem Wetter lohnt es sich, Bierzelt, Tische und Bänke zu mieten.
Häufig werden auf einem Richtfest Pappteller und Plastikbesteck verwendet.
Für Servietten, Trinkbecher und Möglichkeiten zur Müllentsorgung sollte der Bauherr sorgen.
Mobile Toilettenanlagen gehören ebenfalls zu den Dingen, die auf einem Richtfest nicht fehlen dürfen.

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Richtfestspruch

Wir regen die Hände
und gründen die Wände
wir kamen vom Fach
bis unter das Dach.
Gott wollt es beschützen
vor Donner und Blitzen
vor Regen und Sturm
und Mäusen und Wurm!
Vor Schwamm, dem versteckten
vor vielen Kollekten
vor Schulden im Buch
und schlechtem Besuch!

Fazit

Das Richtfest zählt zu den Traditionen, deren Ursprung im 14.Jahrhundert zu finden ist. Und obwohl sich im Laufe der Zeit einige Rituale verändert haben oder vielerorts auch völlig verschwunden sind, ist die Basis dieses Brauchtums bis heute gleichgeblieben.
Das Richtfest dient als Dank für alle Beteiligten und der gesellschaftliche Charakter
genießt heute Priorität. Mit Richtkranz, dem Richtspruch, dem Richtschmaus, der Tradition des letzten Nagels und einigen amüsanten Streichen wird das Bauheben oder Weihefest zu einem großartigen Event. Zeitgemäße Musik und Tanz lassen die Feierlichkeit moderner erscheinen, ohne dabei das traditionelle Brauchtum zu übergehen.